Die 27
Achsen breite barocke südliche Schaufront (1697 - 1703) von Schloss Gottorf
erstrahlt weit über die Schlei, dreigeschossig, mit zusätzlichen Mezzanin
zwischen dem ersten und zweiten Stockwerk.
Auf
schmückende Elemente hatte der schwedische Baumeister Niodemus Tessin d.J.
weitgehend verzichtet, mit Ausnahme des prächtigen barocken Eingangsportals,
der Eckrustika, des zentralen fünfgeschossigen Turmrisalits und der
Fensterbedachungen, segmentbogig im Hauptgeschoss. Um so mehr können die
erhaltenen historischen Innenräume begeistern.
Das bedeutendste Profangebäude Schleswig-Holsteins liegt
auf einer Insel im innersten Winkel der Schlei. Es hat in seiner langen
Geschichte zunächst den Schleswiger Bischöfen, ab 1268 den Herzögen von
Schleswig als Residenz gedient. 1459 kam es im Erbgang an Christian I. von
Dänemark. Von 1544 bis zum Anfang des 18. Jh. war es Sitz der Herzöge von
Schleswig-Holstein-Gottorf. Unter dem vielleicht bedeutendsten Herzog
Friedrich III. (1597 - 1659) genoß Gottorf hohes Ansehen als europäisches
Kulturzentrum von Rang, gerühmt als "Musenhof". Umgeben war das Schloss damals
von mächtigen barocken Wällen und Bastionen - eine bedeutende Festungsanlage.
Sein jetziges Aussehen verdankt Gottorf im wesentlichen dem letzten hier
residierenden Herzog: Friedrich IV. (1671-1702) wollte das Schloss zu einer
noch größeren Rechteckanlage ausbauen, deshalb greift der Südflügel nach Osten
hin um acht Fensterachsen über den bisherigen Bau hinaus. Mit dem Tod des
Herzogs kamen die Bauarbeiten allerdings zum Erliegen. Deshalb zeigt der
Mittelrisalit die Jahreszahl 1703. Dänemark annektierte 1713 den Gottorfer
Anteil des Herzogtums Schleswig und vereinigte ihn 1721 mit dem Königlichen.
Seit dieser Zeit ist Gottorf Sitz des dänischen Statthalters, die reichen
Kunstsammlungen gelangten nach Kopenhagen. Nach St. Petersburg ließ Zar Peter
der Große den in ganz Europa bewunderten "Gottorfer Globus" bringen, den
Friedrich IV. von Dänemark ihm zum Geschenk gemacht hatte: Der Weltreisende
und Wissenschaftler Adam Elearius hatte dieses technische und
wissenschaftliche Meisterwerk mit begehbarer Himmelssphäre Mitte des 17. Jh.
erdacht.
Vorübergehend diente das Schloss als Lazarett und später dänischen, danach
preußischen Truppen als Kaserne. Brände und eine Pulverexplosion schädigten es
weiter. Erst 1947/48 mit der Nutzung als Museum und schließlich ab 1972 durch
eine restaurierende Instandsetzung begann man seinem Verfall entgegenzuwirken.
So wurde auch die Schaufassade des Westflügels zum Hof hin (eine überzeugende
Verbindung gotischer Bauelemente mit denen der Renaissance) in den letzten
Jahren freigelegt und rekonstruiert.
Trotz des zeitweiligen Mißbrauchs zu militärischen Zwecken haben sich
bedeutende Räume erhalten: Die Gotische Halle (Erdgeschoss), Hirschsaal
(Obergeschoss), Blauer Saal mit stuckierten Stadtansichten (Obergeschoss),
Weißer Saal (Obergeschoss), Kapelle über beide Stockwerke, darin Emporen und
herzogliche Betstube im Obergeschoss usw. Dazu später mehr.
Nach 1945 wurde es von den beiden Landesmuseen bezogen. Das Schloss ist eine
Vierflügelanlage, an der viele Jahrhunderte lang gebaut worden ist. Der
mächtige Südflügel mit seinem Turm in der MItte entstammt der Zeit des
Hochbarock um 1700 unter Einbeziehung älterer Teile. Der Westflügel und der
Nordflügel wurden im 16. Jh. erbaut, während der Ostflügel wohl der älteste
Teil der Gesamtanlage ist. Fast alle historischen Innenräume kann man bei
einem Rundgang durch das Schleswig-Holsteinische Landesmuseum besichtigen: u.a.
die "Gotische Halle", die Schlossküche, den "Weißen" und den "Blauen Saal",
die Schlosskirche mit der großartigen Herzöglichen Betstube und den
"Hirschsaal".
Schloss
Gottorf liegt etwa zwei Kilometer von der Schleswiger Altstadt entfernt auf
einer künstlich vergrößerten Insel im Burgsee, der im 16. Jh. durch einen
heute stark verbreiterten Straßendamm von der Schlei abgetrennt wurde. Die
etwa 40 km tief in das Land eingeschnittene, buchtenreiche Förde war im frühen
Mittelalter der wichtigste natürliche Verkehrsweg für den West-Ost-Handel und
zugleich dänische Südgrenze. An ihrem Ende entstand im späten 8. Jh. der
Handelsplatz Haithabu, von dem noch der mächtige Ringwall am heute
abgeschnürten Haddebyer Noor liegt (Haithabu-Museum). An ihn schließt sich das
gleichzeitig geschaffene Danewerk an, eine Wallbefestigung, die die Landenge
zwischen der Schlei und den im Mittelalter unpassierbaren Niederungen eines in
die Nordsee entwässernden Flußsystems sperrte. Als Nachfolgerin Haithabus
entstand im 11. Jahrhundert auf einer Halbinsel am Nordufer der Förde die
Fernhandels, Herzogs- und Bischofsstadt Schleswig. Schloss Gottorf akzentuiert
gleichsam einen Raum, in dem sich die deutsch-dänische Landesgeschichte
verdichtete.
Die einstige natürliche Schutzlage der Burg und des aus ihr im 16. und 17. Jh.
hervorgegangenen befestigten Schlosses läßt sich in der Beziehung der
Schlossinsel zur Naturlandschaft westlich der Insel erkennen. Im Osten dagegen
rückt die städtische Bebauung immer näher an das Gelände heran. In der Mitte
des 19. Jh. wurde die vor fast 500 Jahren geschaffene und laufend
modernisierte Erdwallbefestigung mit vier Eckbastionen geschleift. Seitdem
erhebt sich das Schloss frei auf der Inselfläche zusammen mit Nebengebäuden,
die infolge seiner Umnutzung zur Kavallerie-Kaserne ab 1850 entstanden und
verschiedene Bauten der Hofhaltung und der Festung ersetzten.
Der Eindruck des Schlosses wird bestimmt durch den breiten und hohen Südflügel
des Spätbarock, einen nüchternen Putzbau. Sein westlicher Teil bildet mit dem
von ihm verdeckten alten Schloss eine Vierflügelanlage. Der östliche dagegen
steht als Anfangsbau einer unvollendet gebliebenen Vergrößerung des Schlosses
um das Doppelte frei. Der querrechteckige Innenhof liegt höher als das
Außengelände, von wo die Keller des Schlosses ebenerdig zu erreichen sind.
Obwohl während der Kasernenzeit zahlreiche vereinfachende Veränderungen am
Schloss vorgenommen wurden, gibt das heutige Erscheinungsbild dennoch
deutliche, von denkmalpflegerischen Maßnahmen verstärkte Hinweise auf eine
lange, erklärungsbedürftige Baugeschichte.
Im Inneren des Schlosses haben die zahlreichen Umbauten in der Kasernenzeit
nur wenige Räume verschont. Im Südflügel wurde das großartige hölzerne
Treppenhaus, das sich mit der Hofdurchfahrt zu einer zentralen Halle verband,
in den 1870er Jahren völlig neu gestaltet. Erhalten blieben die gewölbten
hofseitigen Flure des Flügels, die nach beiden Seiten abgehen und das Erd- und
Zwischengeschoss zusammenfassen.
Vom linken Flur gelangt man in eine große zweischiffige Gewölbehalle der
Spätgotik. Die sogenannte "Gotische Halle" wurde, sie die Fenster zeigen, zwar
rücksichtsvoll, aber nicht ohne Schwierigkeit in den Barockbau einbezogen und
stammt noch aus der ersten Umbauphase der Burg unter Herzog Friedrich um 1500.
Acht Sandsteinsäulen mit derben Kapitellen udn Basen sowie Wandkonsolen tragen
etwa quadratische Kreuzrippengewölbe. Diese einzige profane Großhalle des
ausgehenden Mittelalters, die sich hierzulande erhalten hat, wurde im späten
17. Jahrhundert für die Bibliothek genutzt (die gemalten Tierkreiszeichen im
Gewölbe dienten der Ordnung der Buchbestände).
Der Westflügel war einst in allen Geschossen gewölbt und luxuriös mit Kaminen
versehen. Von seiner Ausstattung haben sich nur im ersten Obergeschoß zwei
gewölbte Räume erhalten, von denen der eine reiche Stukkaturen aus der Zeit
Herzog Friedrichs III enthält. Im Nordflügel blieben die Gewölbe erhalten.
Jeweils ein Gewölbe überdeckt eine der Raumeinheiten, die nach Bedarf
untereinander verbunden systematisch
beiderseits der starken Mittellängswand in zwei Reihen angeordnet sind. In
drei nach Norden gelegenen Wohngemächern im westlichen Teil des Flügels, die
Herzog Friedrich III, um 124 für sich einrichtete, sind die Gewölbe stukkiert,
am reichsten im sogenannten Blauen Saal mit Früchtegehängen, Masken,
Cherubinen und Vögeln sowie Architekturprospekten, die ursprünglich
naturalistisch gefaßt waren, während die ornamentalen Formen vergoldet waren.
Aus Räumen des Hauptgeschosses gelangt man über den Zugang der herzöglichen
Familie auf die Empore der Schlosskirche. Die Kirche wurde um 1590, wie die
Fensteranordnung und die beiden Gewölbe zeigen, nachträglich in die Mitte des
Nordflügels eingefügt. Sie ist durch das Erd- und Obergeschoss geführt und
nimmt die gesamte Raumtiefe des Flügels ein. Architektonische Gestalt erhält
der Raum durch die hölzerne, von reich verzierten Säulen getragene umlaufende
Empore, die zusammen mit der Kanzel und dem Gestühl 1590 - 1592 von dem
Tischler Heinrich Kremberg geschaffen wurde. Die Gemälde in der
Emporenbrüstung mit Darstellungen des Lebens Christi stammen von Marten van
Achten. 1609 bis 1615 wurde der den Altarbereich überbrückende, kostbar
vertäfelte Betstuhl von den Hoftischlern Andreas Salgen und Jürgen Gower
eingefügt. Seine farbig gefaßte Schaufassade mit den Wappen von Herzog Johann
Adolf und dessen Gemahlin, Herzogin Augusta, einer Schwester König Christians
IV. von Dänemark, beherrscht den Kirchenraum. Von der Orgel gegenüber hat sich
nur das Gehäuse erhalten. Es wurde im wesentlichen 1567 von dem Schnitzer Jan
van Groningen für die zunächst im Ostflügel gelegene Kapelle geschaffen, bei
der Versitzung um eine Art Brustwerk ergänzt und später mehrfach erweitert.
Die Aufstellung des Gestühls und die Buntfarbigkeit, die die (an der Orgel
freigelegte) originale Farbfassung der Kapelle vergröbert, stammen von einer
Restauration um 1856/58. Der kostbare Ebenholzaltar von 1666 mit Silberrelief
ist eine hamburgische Arbeit.
An die Schlosskirche schließt im Obergeschoss östlich der Hirschsaal an, der
Fest- und Bankettsaal des Schlosses. Er beansprucht ebenfalls zwei gewölbte
Raumeinheiten in der Tiefe des Nordflügels. Die einheitliche Dekoration
entstand um 1585/90. Sie wurde 1927 bis 1931 freigelegt und ergänzend
wiederhergestellt. Die Freilegung erlaubte vor allem die gut erhaltene
dekorative, in der Wirkung graffitomäßige Schwarzweißmalerei, die die
Gewölbekappen mit grotesken Schweifornamenten und eingefügten Darstellungen
aus der römischen Geschichte überzieht. Im Gegensatz hierzu die Buntfarbigkeit
der Wandgestaltung, die bei der Restaurierung weitgehend frei nachempfunden
wurde. Über einer gemalten Draperie zieht sich ein teils gemalter, teils in
Stuck relieferierter Fries mit äsenden und überlebensgroßen liegenden Hirschen
in einer Landschaft hin. Nach dem Vorbild des teilweise vollplastischen
Hirschs auf dem Kaminsturz, der sich mit einer Geweihtrophäe von 1595 als
einziger erhalten hatte, sind die Tiere, von denen nur noch die Umrisse
erkennbar werden, neu in Stuck geformt worden. Eine breite Nische in der
östlichen Längswand diente als Anrichte oder für Musikanten.
Hirschsäle dieser Art waren im 16. Jh. in nordeuropäischen Schlössern und
Herrensitzen beliebt. Sie gaben der Jagdleidenschaft des Hochadels
monumentalen Ausdruck. Der Hirschsaal ist unmittelbar durch eine vom
Schlosshof betretbare Treppe "italienischer Art" zu erreichen. in der erstmals
im Lande statt eines Treppenturms mit Wendeltreppe ein in das Gebäude
integriertes Treppenhaus ausgeführt wurde. Charakteristisch sind die geraden,
gegenläufigen Treppen und Umkehrpodeste unter steigenden Tonnengewölben. Östlich im Anschluß an das Treppenhaus befinden sich zwei übereinanderliegende
schmale Räume mit Kreuzrippengewölben des 14. Jh.
Der Weiße Saal (1635) im Obergeschoss mit der wohl üppigsten Stuckdecke des
Schlosses zeugt neben Hirschsaal und Blauem Saal von der ungebrochenen
Prunksucht der Herzöge wie auch der Kunstfertigkeit der Handwerker in einer
Zeit, die alles andere als ruhig und friedlich war. Man lebte schließlich noch
im Dreißigjährigen Krieg.